Kommunikationsmassnahmen
Effektive Krisenkommunikation erfordert eine orchestrierte Nutzung von Kommunikationskanälen und zielgerichtete Kampagnen. Die Kommunikationsmassnahmen werden gezielt eingesetzt, um Vertrauen zu schaffen, Missverständnisse zu vermeiden und Verhaltensänderungen zu fördern.
Websites
Eine Website ist für breite Teile der Bevölkerung die erste Anlaufstelle für aktuelle Informationen. Suchmaschinen gehören für die Bevölkerung immer zu den beliebtesten Mitteln, wenn es darum geht, sich selbständig zu informieren. Eine aktuelle Website ist deshalb entscheidend. Sie bietet nicht nur umfangreiche, genaue Informationen, sondern auch einen Fixpunkt im schnelllebigen Informationsstrom. Zudem garantiert sie den direkten, ungefilterten Zugang zur Bevölkerung.
Die Bevölkerung sucht – wie auch Fachpersonen, medizinische Fachorganisationen und Grundversorger – bei wichtigen Ereignissen nach Informationen aus vertrauenswürdigen Quellen. Eine offizielle Website des Bundes, eines Kantons oder Verbands gehören dazu. Die Webverantwortlichen sollen früh eingebunden werden, damit Informationen webgerecht vorbereitet werden können und der Bevölkerung nicht erst nach Stunden nachgereicht werden. Auch kurzfristige Änderungen unmittelbar vor der Publikation sind so jederzeit möglich. Wichtig ist, dass das Konzept frühzeitig bereitsteht und Fragen nach Formatvorgaben, Bildmaterial usw. bereits geklärt sind.
Die Webverantwortlichen können beraten, welche Art der Informationsaufbereitung technisch möglich oder in der Anwendung sinnvoll ist. Wichtig sind definierte Prozesse und Zuständigkeiten für Clearing, Übersetzungen, Sperrfristen, Erreichbarkeiten und Stellvertretungen.
Webgerechte Aufbereitung und Barrierefreiheit
Von einer Pandemie ist die ganze Bevölkerung betroffen. Die Webkommunikation richtet sich entsprechend an alle Bevölkerungsgruppen. Der Inhalt muss einfach, verständlich, klar strukturiert und gut portioniert sein. Alle Inhalte werden barrierefrei angeboten:
- PDFs sind barrierefrei formatiert
- Bilder enthalten verständliche Alt-Texte
- Videos sind untertitelt
Die wichtigsten Botschaften werden auch – in Zusammenarbeit mit Fachleuten – in Leichter Sprache und Gebärdensprache angeboten.
Wo möglich sollte mit fixen Links gearbeitet werden, damit Inhalte auch bei Veränderungen auffindbar bleiben. Verweise auf Dokumente erfolgen am besten auf die Seite mit dem Dokument, nicht auf das Dokument selbst.
Suchmaschinen und Künstliche Intelligenz (KI)
Zur webgerechten Aufbereitung gehört die Berücksichtigung der Suchmaschinen und zunehmend auch der KI. Konkret bedeutet dies:
- korrekte Formatierung aller Elemente (Titelhierarchien, semantische Elemente wie FAQ, How-to etc.)
- eindeutige Seitentitel, sprechende Zwischentitel
- Erfassung sinnvoller Metadaten
- eine gute Einheit von Text, Bild und Video
Suchmaschinen und KI bevorzugen in der Regel vertrauenswürdige Absender, bekannte offizielle Adressen wie zum Beispiel admin.ch sind hier im Vorteil.
User Experience (UX)
Je besser sich die Besucherinnen und Besucher zurechtfinden und die Antworten auf ihre Fragen finden, desto weniger Anrufe, E-Mails oder Briefe treffen ein. Bei der Erstellung der Inhalte ist deshalb der UX-Aspekt wichtig. Um die Besucherflüsse besser zu verstehen, hilft Monitoring.
Sicherheit und Performance
In einer Krise kann es zu Spitzenzeiten vorkommen, in denen fast die ganze Bevölkerung gleichzeitig auf die Website zugreifen möchte. Die Infrastruktur sollte Zugriffe in Millionenhöhe aushalten können.
Social Media
Soziale Medien können für verschiedene Zwecke genutzt werden: um die Öffentlichkeit einzubeziehen, die Kommunikation unter Gleichgesinnten zu erleichtern, Bewusstsein für die Situation zu schaffen, Gerüchte, Reaktionen und Bedenken der Öffentlichkeit während eines Notfalls zu verfolgen, darauf zu reagieren sowie die Reaktionen auf lokaler Ebene zu vereinfachen. Sie müssen Teil der integrierten Strategie mit anderen Kommunikationskanälen sein – und entsprechend gut auf andere Kommunikationskanäle abgestimmt werden.
Folgende Elemente sind bei der Social-Media-Strategie zu berücksichtigen:
Medienarbeit
Die Medien sind ein zentraler Kanal, um die Bevölkerung zu erreichen. Der Austausch mit den Journalistinnen und Journalisten muss regelmässig und zeitnah erfolgen. Medienschaffende sind deshalb klar und effektiv über Aufgaben, Tätigkeiten, Verantwortlichkeiten und politische Geschäfte zu informieren. Die Grundsätze der Kommunikation und die skizzierten Kommunikationsstrategien wie klare Botschaften, Transparenz usw. gelten auch in der Medienarbeit.
In der akuten Phase einer Pandemie nehmen die Anfragen der Medienschaffenden in Menge und Umfang sehr stark zu. Tempo und Dynamik sind extern bestimmt. Um agil zu bleiben, muss eine Medienstelle effizient aufgestellt werden: Sprachen und Themengebiete müssen abgedeckt, ein Pikettdienst für Abende, Wochenenden und Feiertage muss sichergestellt werden. Da sich Anfragen vielfach ähneln, sollen Anfragen und die Antworten zentral abgelegt werden. So kann jederzeit der letzte Stand der Informationen abgerufen werden.
Wer macht Medienarbeit?
Medienanfragen sollten über einen zentralen Kanal (spezifische E-Mail-Adresse, Telefon) entgegengenommen und an einer Stelle triagiert werden. Nur Mediensprecherinnen und -sprecher beantworten Medienanfragen. Mitarbeitende der Behörden sollen Anfragen, die sie möglicherweise direkt erhalten, an ihre Medienstelle weiterleiten und nicht selbst beantworten.
Kontinuität nach aussen fördert das Vertrauen. Ob Fachexpertinnen und Fachexperten oder Mediensprechende öffentliche Auftritte übernehmen, ist individuell zu definieren. A priori sollten nicht Personen, die stark in der Krisenbewältigung involviert sind, auch noch alle Medienauftritte übernehmen müssen. Idealerweise übernimmt eine kleine Gruppe diese Aufgabe gemeinsam, sodass sich die Mitglieder abwechseln und ihre Sprachkompetenzen gegenseitig ergänzen können. Vor den Interviews sollte eine Liste mit den wichtigsten Fragen und Antworten (FAQ) sowie mit möglichen Fangfragen erstellt werden.
Koordination intern und extern
Eine enge Koordination und Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen für die eigene Website und Social-Media-Kanäle ist ein relevanter Faktor für eine effiziente Medienarbeit: aus Antworten von Medienschaffenden können FAQ für Social-Media-Posts oder Updates auf der Website generiert werden. Im Gegenzug geben Angaben zur Nutzung der Website sowie das Community Management auf Social Media wichtige Hinweise darauf, welche Themen zu einem bestimmten Zeitpunkt nachgefragt werden und dementsprechend zu Medienanfragen führen können.
Botschaften und Informationen müssen mit den relevanten externen Stakeholdern koordiniert, Auftritte wo angezeigt gemeinsam geplant und durchgeführt werden. Dies unterstreicht die Zusammenarbeit in der Pandemiebewältigung, was das Vertrauen erhöht.
Regelmässiger und häufiger Austausch mit Medienschaffenden
Krisen sind Phasen der Unsicherheit mit einem grossen Informationsbedürfnis, weshalb es wichtig ist, regelmässige Austauschgefässe zu schaffen, z. B. eine wöchentliche Medienkonferenz («Point de Presse»). Sie helfen sowohl den Behörden als auch den Medienschaffenden bei der Planung. Letztere wissen, wann sie neue Informationen erwarten können und erstere können sich gezielt darauf vorbereiten bzw. die Medienschaffenden darauf verweisen. Die Frequenz (mehrmals wöchentlich, einmal pro Woche, alle zwei Wochen usw.) hängt von der Situation ab und kann je nach Verlauf der Pandemie variieren.
Weitere regelmässige Informationen, etwa die wöchentliche Publikation epidemiologischer Fallzahlen, planen die Medienschaffenden fix ein. Viele Portale bereiten z. B. epidemiologische Daten oder geltende nicht-pharmazeutische Massnahmen oder Impfempfehlungen selbst nochmals auf. Es ist deshalb darauf zu achten, dass solche Informationen, Daten und Unterlagen in Formaten zur Verfügung gestellt werden, die weiterverarbeitet werden können.
Kampagnen
Eine Kampagne dient in einer Pandemie dazu, die wichtigsten Botschaften zu verbreiten, Verhaltensänderungen zu fördern und Vertrauen zu schaffen, damit die Krise gesellschaftlich und wirtschaftlich gut bewältigt werden kann. Eine Pandemie ist mit einem enormen Informationsbedürfnis verbunden. Weil sie die ganze Bevölkerung tangiert und den Alltag stark prägt, stösst sie auf hohe Aufmerksamkeit.
Kampagnenkonzept
Oberstes Prinzip für die Ausarbeitung des Kommunikationskonzepts ist es, grösstmögliche Wiedererkennbarkeit und grösstmögliche Einfachheit in der Ansprache bei maximaler Flexibilität im Einsatz zu gewährleisten.
Einfachheit bedeutet, dass die Kampagne auch mit schlechten Sprachkenntnissen verstanden werden muss. Grösstmögliche Flexibilität bedeutet, die Botschaften so zu formulieren, dass sie auch bei neuen Entwicklungen funktionieren, deren Dynamik zu Beginn schwer einzuschätzen ist. Grösstmögliche Flexibilität benötigt es auch, was die Anpassung der Tonalität anbelangt zwischen hoher Sachlichkeit (Ratio) und einer nötigenfalls emotionalen Ansprache. Grösstmögliche Flexibilität braucht es zudem bezüglich Geschwindigkeit der Umsetzung – Botschaften müssen gegebenenfalls innert Tagen, wenn nicht Stunden, verbreitet werden können. Zentral fürs Gelingen ist, von Beginn an klare, konsistente Botschaften zu vermitteln.
Ein überdachendes Kampagnenmotto kann als Krisenkommunikationsmarke über alle Kampagnenphasen der Pandemie hinweg eingesetzt werden, z. B. «So schützen wir uns». Ein System mit modular einsetzbaren Signalfarben, die im Bedarfsfall neue Botschaften anzeigen, sowie niederschwellig verständliche Piktogramme können das Konzept ergänzen.
Es empfiehlt sich zudem, die Rolle der Kampagne und ihre Systematik mit Medienarbeit zu begleiten und einzubetten, was der Bekanntmachung und Vertrauensbildung dient.
Die Gestaltungssprache der Kampagne soll im Sinne einer partizipativen Kampagnenmechanik zusätzlich auf Multiplikation angelegt werden. Die Werbemittel müssen schnell produziert und auch mit durchschnittlichen Bürodruckern einfach und schnell ausgedruckt werden können. Flächige Farben und hohe Kontraste stellen dies sicher. Je einfacher, desto grossflächiger kann die Verteilung in Ladengeschäften, Restaurants, Wartezimmern usw. erfolgen.
Weil eine Pandemie v. a. zu Beginn mit vielen Unsicherheiten verbunden ist, muss die Kampagne auf einer hochdynamischen Planung basieren. Die Bundesratssitzung, an der neue Massnahmen beschlossen werden, kann den Takt vorgeben. Der minimale Vorlauf ist auch für die Mediaplanung eine Herausforderung. Die Auswahl der Medien zur Verbreitung der Kampagne erfolgt nach dem Prinzip von Tempo und Reichweite, um quasi in Echtzeit Orientierung für möglichst breite Teile der Bevölkerung zu bieten. Die gezielte und punktuelle Kooperation mit Multiplikatoren, Unternehmen und Verbänden erhöht die Wirksamkeit. Es bewährt sich zudem, mit Akteurinnen und Akteuren zusammenzuarbeiten, die aufgrund ihres Expertenstatus sehr glaubwürdig sind.
Vulnerable Anspruchsgruppen
Während einer Pandemie müssen Gesundheitskampagnen die gesamte in der Schweiz lebende Bevölkerung erreichen und einen möglichst gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsinformationen gewährleisten. Um die Zielgruppen zu erreichen sowie zuverlässige und aktuelle Gesundheitsinformationen an sozial benachteiligte Personen (Personen mit niedrigem Bildungsniveau, geringen Kenntnissen einer Landessprache und/oder geringen Gesundheitskompetenzen o. ä.) weiterzugeben, können folgende Mittel eingesetzt werden:
- Erarbeitung von leicht verständlichem Informationsmaterial (in verschiedenen Formen z. B. Audio, Audio-Video, Text usw.) im Austausch und in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Zielgruppen,
- Übersetzung in die Sprachen der Migrationsbevölkerung,
- Verbreitung über spezifische Medien und Kommunikationskanäle (z. B. Plattform migesplus, Medien der Migrationsbevölkerung, Organisationen der Migrationsbevölkerung usw.) und Verbreitung über bestehende Netzwerke und Kontaktstellen im Migrations- und Sozialbereich.
Um Menschen mit Seh-, Hör-, motorischen oder kognitiven Behinderungen bestmöglich zu erreichen, muss auch darauf geachtet werden, dass das Informationsmaterial barrierefrei ist und die wichtigsten Informationsinhalte auch in Leichter Sprache und Gebärdensprache verfügbar sind: Tools für barrierefreie digitale Kommunikation.