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Veröffentlicht am 1. Juli 2025

Soziale Auswirkungen

Pandemien und Bewältigungsmassnahmen können das soziale Leben stark einschränken. Die negativen Auswirkungen müssen minimiert und aufgefangen werden. Freiwillige und Anlaufstellen haben wichtige Funktionen; ihre Tätigkeiten sollen in einer Pandemie weiterhin ermöglicht werden.

Die Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie haben aufgezeigt, dass praktisch alle Bereiche des sozialen Lebens von Einschränkungen betroffen sein können. Hier sind exemplarisch die zentralen Bereiche Wohnen, Freizeit und Bildung beschrieben. Die Checkliste Pandemiebewältigung: Negative soziale Auswirkungen minimieren gibt Hinweise, wie negative Auswirkungen aufgefangen werden können.

Wohnen

Falls Bewältigungsmassnahmen das öffentliche Leben einschränken, verengt sich der soziale Raum auf den Wohnraum. Dies kann zu Einsamkeit, Vernachlässigung und schliesslich zu Gewalt im häuslichen Umfeld führen.

Für Wohnformen mit Kindern besteht ein erhöhtes Risiko für häusliche Gewalt, insbesondere für die Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern durch ihre Eltern. Eltern sind durch ihre Arbeit im Homeoffice bei gleichzeitiger Kinderbetreuung und Fernunterricht belastet. Beziehungsweise durch die Arbeit ausser Haus, wenn die Kinderbetreuung nicht wie gewohnt funktioniert. Finanzielle Sorgen durch Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust verstärken die Belastung. Besonderes Augenmerk gilt sozial benachteiligten Familien.

Auch Menschen, die Angehörige betreuen, können unter Druck geraten, wenn Betreuungsangebote wie z. B. Tagesstätten für Menschen mit Demenz ausser Betrieb sind oder Entlastungsdienste nicht mehr angeboten werden. Auch in diesen Situationen besteht ein erhöhtes Risiko, dass betreute Personen vernachlässigt werden oder häusliche Gewalt durch ihre Betreuungspersonen erleben. Alleinlebende Menschen haben ein erhöhtes Risiko für Einsamkeit.

Für Menschen, die in einer Kollektivwohnform leben, können Gemeinschaftsaktivitäten, Tagesstrukturangebote, Arbeit in Werkstätten etc. wegfallen. Dies kann ihren Alltag und ihre Gesundheit negativ beeinflussen. Eine grosse Herausforderung besteht darin, Schutzmassnahmen so auszugestalten, dass gleichzeitig die Selbstbestimmung in der eigenen Privatsphäre sowie der Schutz der Mitbewohnenden und des Personals gewahrt sind.

Urteilsunfähige Personen, die in Einrichtung leben, und ihre gesetzlichen Vertretungspersonen und Beistände müssen jederzeit Zugang zueinander haben.

Freizeit

Freizeit, Sport, Bewegung und Kultur sind wichtig für das psychische und körperliche Wohlbefinden.

Falls die Pandemiebewältigung das Treffen in grösseren Gruppen und in Innenräumen einschränkt, werden öffentlich zugängliche Begegnungsorte (z. B. Bibliotheken) sowie Aussenräume (z. B. Grünräume, Fuss- und Velowege) für Aufenthalte, Bewegung und Begegnung wichtiger. Für Personen mit beengten Wohnverhältnissen und wenig Aussenraum in der Wohnsituation – häufig sind dies sozial benachteiligte Personen – ist die Zugänglichkeit öffentlicher Räume besonders wichtig. Zu berücksichtigen ist hierbei auch die Situation von Menschen, die in einer Kollektivwohnform leben.

Kinder und Jugendliche brauchen den Kontakt zu Gleichaltrigen ausserhalb von Familie und Schule. Ausserschulische Begegnungs- und Sportangebote fördern eine gesunde Entwicklung und soziale Kontakte. Die Jugendarbeit hat in Krisenzeiten das Potenzial, Kinder und Jugendliche professionell zu unterstützen sowie psychische und familiäre Belastungen aufzufangen.

Bildung

Eine Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf die Erziehung, Bildung und Entwicklung von Kindern (0–18 Jahre) und Jugendlichen (18–25 Jahre). Schulen und Bildungsstätten sind nicht nur Orte des Lernens, sondern auch Räume, in denen Kinder, Jugendliche und Studierende ihre sozialen Kompetenzen entwickeln und mit Gleichaltrigen interagieren. Das Fehlen von sozialem Kontakt zu Gleichaltrigen wirkt sich nicht nur auf die psychische Gesundheit aus. Sondern auch auf die gesunde und soziale Entwicklung, auf das Erlernte (lernen, mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten) (siehe «Freizeit») sowie auf die Bildungschancen insgesamt. Besondere Aufmerksamkeit sollte Studierenden der höheren Studiengänge gelten, für die Zugangsbeschränkungen zu Bildungsinstitutionen (Hochschulen und Universitäten) langfristige Auswirkungen auf ihre Bildungs- und Karrieremöglichkeiten haben können. Die Schliessung von Bildungs- und Ausbildungsstätten birgt auch ein erhöhtes Risiko (Gewalt, Vernachlässigung, soziale Isolation, psychische Not, Schulabbruch) für Kinder und Jugendliche, die in einem fragilen oder sozial benachteiligten familiären Umfeld leben und die Verbindung zu erwachsenen Bezugspersonen verlieren (siehe «Wohnen»).

Für den Bildungsbereich ist ein differenzierter Ansatz notwendig, da sich die Bedürfnisse und Möglichkeiten, je nachdem, ob man die obligatorische Schule, die Sekundarstufe II, die Berufsausbildung oder das Hochschulstudium betrachtet, stark unterscheiden. Die Auswirkungen im Bildungsbereich sowie die zu ergreifenden Ausgleichsmassnahmen sind daher nach Schulstufe oder Altersgruppe zu unterscheiden.

Besonders zu berücksichtigen ist die Situation von Jugendlichen in der beruflichen Ausbildung (betriebliche Grundbildung und überbetriebliche Kurse). Pandemiebedingte Betriebsschliessungen, die Einführung von Kurzarbeitszeit oder Homeoffice-Pflicht können dazu führen, dass die Betreuung von Lernenden nicht gewährleistet werden kann oder dass die Auszubildenden lehrberufsspezifische Fertigkeiten nicht ausreichend erwerben können. Im Rahmen der Berufsbildung sollten deshalb pragmatische Massnahmen ergriffen werden, damit die Ausbildung weitergeführt und abgeschlossen werden können. Dabei ist auch die Situation von Menschen mit Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, die sich in einer Ausbildung befinden.

Freiwilligenarbeit

Freiwilligenarbeit umfasst viele systemrelevante Tätigkeiten, insbesondere im Bereich der Betreuung und Unterstützung von älteren Menschen, aber auch in der Jugendarbeit und in anderen sozialen Diensten. Um Freiwilligenarbeit möglichst auch in einer Pandemie aufrechterhalten zu können, braucht es:

  • Anerkennung der Systemrelevanz
  • Schutz und Unterstützung: Zugang zu Schutzausrüstung, Schulungen zu Sicherheits- und Hygienemassnahmen, gegebenenfalls finanzielle Unterstützung
  • Flexibilität und Anpassungen: Anpassungen von Arbeitsweisen, digitale Instrumente, sichere Begegnungsräume etc. tragen dazu bei, Freiwilligenarbeit auch unter Einschränkungen fortsetzen zu können
  • Koordination und Kommunikation: Eine klare Koordination und Kommunikation zwischen den Freiwilligenorganisationen und den Behörden ist entscheidend, um Freiwilligenarbeit effektiv und sicher durchzuführen

Anlaufstellen für vulnerable Gruppen

Kontakt- und Anlaufstellen, Notschlafstellen oder Gassenküchen sind zentral für einige vulnerable Gruppen. Dazu gehören Menschen mit Suchterkrankung oder psychischen Erkrankungen, Armutsbetroffene, Sans-Papiers, Sexarbeitende oder Obdachlose.

Die Angebote dieser Anlaufstellen decken Grundbedürfnisse wie medizinische Versorgung, Essen, Obdach, Alltagsstrukturierung, Arbeitsintegration und soziale Eingliederung. Sie sind oft an der Schnittstelle zwischen Sozial- und Gesundheitsbereich angesiedelt. Pandemiebedingte Einschränkungen sollen die Bedeutung dieser Angebote so berücksichtigen, dass sie ihre Aufgabe in der Grundversorgung weiterhin wahrnehmen können. Das bedeutet, dass beispielsweise Gassenküchen weniger strikte Regelungen als die Gastronomie und Notschlafstellen weniger strikte Regelungen als die Hotellerie haben können.

Die Digitalisierung von Dienstleistungen eröffnet zwar neue Möglichkeiten, birgt aber auch die Gefahr struktureller Ausgrenzungsmechanismen, insbesondere für Menschen mit eingeschränktem Zugang zu Technologien, unzureichenden digitalen Kompetenzen oder Sprachschwierigkeiten. Besonders zu berücksichtigen sind die Bedürfnisse vulnerabler Menschen, damit ein gleichberechtigter Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen sichergestellt wird, indem nicht-digitale Alternativen und eine angemessene Begleitung angeboten werden.

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